Interview mit Pianist Ben Kim

Sie spielen am 23. Februar im Burghof Lörrach mit dem Concertgebouw Kammerorchester das Klavierkonzert Nr. 13, C-Dur, von W.A. Mozart. Was begeistert Sie an diesem Klavierkonzert?

Ich freue mich wirklich darauf, Mozarts Klavierkonzert Nr. 13 aufzuführen. Dieses Stück ist nicht nur ein großartiges Werk, sondern gewährt auch Einblicke in Mozarts erste kreative Periode nach seinem Umzug von Salzburg nach Wien. Während dieser Zeit befreite er sich von der dominanten Präsenz seines Vaters, Leopold, während er irgendwie immer noch Anerkennung und Bestätigung von ihm suchte. Dieser Konflikt zwischen persönlichem Selbstausdruck und dem Wunsch nach elterlicher Zustimmung spiegelt sich in den Noten wider und verleiht dem Stück eine zusätzliche Tiefe. Man hört, wie er wirklich einen bleibenden Eindruck hinterlassen möchte. Er schreibt noch nicht ausschließlich für sich selbst. Das Werk hat etwas sehr Angenehmes und es ist in gewisser Weise dem späteren großartigen Konzert Nr. 27 entgegengesetzt. Es singt, es spricht, es glänzt. 

 

Solisten berichten immer wieder, dass es besonders schwierig ist, Mozart zu spielen. Es geht dabei nicht so sehr um die Technik, sondern gewissermaßen darum, den Geist der Musik einzufangen und sowohl der Leichtigkeit als auch dem Anspruch Gerecht zu werden. Wie nähern Sie sich vor diesem Hintergrund Mozarts Werken?

Mozarts Werke zu spielen, stellt eine einzigartige Herausforderung dar, die weit über die technische Beherrschung hinausgeht. Für mich gehören sie zu den anspruchsvollsten Kompositionen, sowohl körperlich als auch emotional. Jede Nuance, jede Feinheit liegt offen, und der Ausführende ist dabei sehr exponiert. Man muss diese Verletzlichkeit zulassen, um die Musik mit der gleichen ungebändigten Begeisterung wie ein Kind anzugehen, ohne Scham oder Verfälschung. Zugleich ist es jedoch eine nahezu unmögliche Aufgabe, im Grunde genommen alles zu verlernen, was man bisher gelernt hat.

Eine weitere Herausforderung liegt darin, der historischen Entwicklung des Klaviers gerecht zu werden. Ursprünglich komponiert für Instrumente wie das Fortepiano und das Cembalo, klingen Mozarts Werke auf modernen Klavieren sehr unterschiedlich. Mein Anliegen ist es, die Kluft zwischen historischer Authentizität und zeitgenössischer Aufführungspraxis zu überbrücken. Ich bin zutiefst fasziniert vom einzigartigen Temperament des Fortepianos und bemühe mich, seine Eigenschaften auf dem modernen Klavier nachzuahmen. Von großer Bedeutung sind die Ausdruckseigenschaften des Fortepianos, wie seine Fähigkeit, die menschliche Stimme zu imitieren. Im Wesentlichen besteht mein Ziel darin, nicht nur die Noten singen zu lassen, sondern sie auch sprechen zu lassen, um die volle Bandbreite der Emotionen und Texturen, die in Mozarts Musik angelegt sind, zu vermitteln. 

Man könnte in diesem Zusammenhang auch fragen, was wäre, wenn die Zuhörer alle Erinnerungen an ihre Lieblingsmusik löschen könnten und sie ganz neu hören würden. Wir erleben Musik heute so anders als die Menschen zu Mozarts Zeiten. Ohne die Möglichkeit, Musik aufzunehmen, konnte ein Mozart-Klavierkonzert nur live erlebt werden. Aber nur wenige von uns haben heute ein Mozart-Konzert zum ersten Mal live gehört; die meisten Menschen hören zuerst eine Aufnahme. Es ist nicht mehr so flüchtig wie es einmal war. Die Jahrhunderte haben verändert, wie wir Musik erleben, sei es in Stil, Kultur oder Technologie. Wenn wir also die Musik neu hören könnten, hörten wir sie vielleicht nicht so, wie Mozart es beabsichtigt hat. Zugleich stellt sich aber vielleicht auch die Frage, ob wir das überhaupt müssen…

 

Das Concertgebouw Kammerorchester gehört zu den renommiertesten Klangkörpern der Welt.  Was ist die Besonderheit im Zusammenspiel mit diesem Ensemble?

Ich hatte in der Tat das Privileg, mit Mitgliedern des Concertgebouw Kammerorchesters aufzutreten und Aufnahmen zu machen. Was die Interaktion mit diesem Ensemble wirklich besonders machte, war das Anliegen, eine musikalische Einheit zu schaffen, in der jeder Musiker, einschließlich mir als Solist, eine wesentliche Rolle spielte. Unter der Leitung von Michael Waterman strebten wir nach einer nahtlosen Integration unserer individuellen Talente und bemühten uns, eine Synergie zu erreichen, die die Summe ihrer Teile übertraf.

Ein charakteristischer Aspekt unserer Zusammenarbeit war das Musizieren ohne Dirigenten. Gemeinsam trafen wir musikalische Entscheidungen während der Proben, um sicherzustellen, dass das Klavier das Orchester ergänzte, anstatt es zu überschatten. Das Entfernen des Deckels des Klaviers ermöglichte eine intimere Verbindung zwischen mir und dem Orchester, wobei die Bläser mir gegenüber positioniert waren und ihre expressiven Melodien in den Vordergrund brachten. Die Streicher umgaben mich, erleichterten die Kommunikation und verbesserten unsere kollektive Leistung. Die Qualität des Orchesters machte diese Art von ultraintimer Interaktion möglich.

 

Sie sind seit langer Zeit Mitglied im Deutschen Alpenverein. Kommen Sie trotz Ihres vollen Terminkalenders gelegentlich zum Wandern oder Klettern? Und bedeutet Natur für Sie Auszeit vom musikalischen Geschehen, oder finden Sie vielmehr in diesem Kontext auch Inspiration?

Ja, ich achte darauf, das zu tun! Ich schätze die Zeit im Freien wirklich sehr. In der heutigen digitalen Welt fühlt es sich wie ein wohltuender Balsam an, sich von Bildschirmen fernzuhalten und einfach mal abzuschalten. Es ist eine willkommene Pause. Darüber hinaus finde ich Inspiration in der Natur, da so viel Musik aus ihrer Schönheit und Ruhe zu stammen scheint. Es ist eine wertvolle Gelegenheit für Selbstreflexion und innere Ausrichtung. Mich in die Natur zu vertiefen, hilft mir, Harmonie in mir selbst zu finden.